STUDIE: GENDERBALANCE IN DER SPORTBERICHTERSTATTUNG?
Wir sind voller Freude und extra stolz, dass die von exploristas mit sehr viel Engagement initiierte und gemeinsam mit der RTR und „100% Sport“ durchgeführte Studie „Genderbalance in der Sportberichterstattung?“ am 16.12.2021 von der Studienautorin Maria Pernegger/Media Affairs gemeinsam mit Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler, Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien Susanne Raab sowie exploristas Rolemodel und Snowboard Freeride Weltmeisterin Manuela Mandl im Bundeskanzleramt präsentiert wurde.
v.l.n.r. Vizekanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Werner Kogler, Manuela Mandl (exploristas Rolemodel & Snowboard Freeride Weltmeisterin), Anja Schmidt (exploristas Co-Gründerin) und Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration Medien Susanne Raab.
Warum hat exploristas die Sportstudie initiiert?
Das Ermutigen und Bestärken, das Fordern und Fördern führt stets dazu, dass sich Menschen weiterentwickeln. Hierfür brauchen wir sichtbare Vorbilder, die uns zeigen, was wir alles erreichen können. „exploristas“ hat sich genau dies zum Ziel gesetzt und daher die im Dezember 2021 veröffentlichte Studie initiiert: Frauen im Sport sichtbarer zu machen und damit verbunden, sie zu ermutigen und zu stärken, ihre Träume und Ziele zu verwirklichen. Denn um Träume entstehen zu lassen und in Ziele umzuwandeln, helfen starke Vorbilder. Vorbilder inspirieren uns, motivieren uns und zeigen neue Entwicklungsmöglichkeiten auf. Sie haben Orientierungsfunktion und einen Push-Effekt – „wenn sie das kann, probiere ich es auch“. Damit ein Vorbild auch wirklich zur inspirierenden Kraft wird, muss es allerdings zwei Kriterien erfüllen: Zukunftsmöglichkeiten aufzeigen und uns zugleich ein wenig ähneln. Sie muss Identifikationspotenzial bieten. Für Mädchen und Frauen ist es daher entscheidend, dass auch weibliche „Rolemodels“ als Inspiration und Identifikationsfiguren zur Verfügung stehen – „if she can see it, she can be it“ oder auch: „sichtbar ist machbar“. Wie die von exploristas initiierte Studie jedoch zeigt, sind Sportlerinnen in der österreichischen Berichterstattung eben nicht ausreichend sichtbar – die media coverage von Sportlerinnen beträgt lediglich 12 %, Titelseiten sind gar zu 94 % Sportlern gewidmet (weitere Details und Studiendownload unten).
Sichtbar ist machbar – und Sichtbarkeit ist die Währung im Sport!
Zum Inhalt der Studie/ Download
Auf rund 100 Seiten untersucht die Studie das quantitative und das qualitative Verhältnis, in dem Sportberichterstattung über Sportlerinnen und Sportler in österreichischen Medien stattfindet. Ausgewertet wurden Tageszeitungen, die Berichterstattung im ORF und Webportale.
Die Medienanalyse dokumentiert eine massive Schieflage: 88 % der Sportberichterstattung ist Sportlern gewidmet, Sportlerinnen sind mit nur 12 % deutlich unterrepräsentiert. Mit Corona ging die Sichtbarkeit von Sportlerinnen sogar noch weiter zurück: auf weniger als 4,5 % im TV, weniger als 5 % Print und auf lediglich 2 % im Online-Bereich – im Vergleich zu 98 % männlicher Sportpräsenz. Unglaubliche 94 % der cover stories sind mit Sportlern illustriert. Im Einzelsport liegt der Frauenanteil bei 23 %, im Teamsport bei 2 %. Auch die bildliche Inszenierung ist unterschiedlich: Sportlerinnen erreichen deutlich weniger – der insbesondere für Sponsoren wertvollen – Bildpräsenz (dementsprechend ist der Textanteil bei Sportlerinnen höher) und sie werden gegebenenfalls seltener „in action“ gezeigt. Bilder von Sportlerinnen sind 3,5x häufiger „Posing ohne Sportbezug“. Sportlerinnen werden auch 8x häufiger sexualisiert dargestellt und 13x häufiger „trivialisiert“ (also verniedlicht, wie zB die „Pistenflöhe“, „flotte Franziska“ etc). Aus der Studie ergibt sich zudem, dass selbst sportlicher Erfolg nicht unbedingt zu (mehr) media coverage von Frauen führt: die österreichischen Sportlerinnen sind in den populären Sportkategorien Fußball und Skispringen erfolgreicher als die österr. Sportler, dennoch kommen sie im Vergleich fast gar nicht in den Medien vor. So betrug etwa im Untersuchungszeitraum (2019/2020) die Sendezeit in ORF „Sport Aktuell“ für Männer-Fußball 4 h 12 min und für Frauen-Fußball 5 Minuten. Die fehlende oder zumindest anders gelagerte Wechselwirkung zwischen Erfolg und Medienpräsenz bei Sportlerinnern und Sportlern im Vergleich zeigt auch folgendes Beispiel: Katharina Liensberger und Vincent Kriechmayr sind beide regierende Doppel Weltmeister:innen in der zweitpopulärsten Sportkategorie Ski Alpin (2021). Die mediale Sichtbarkeit ihrer sportlichen Erfolge unterscheidet sich jedoch deutlich: Liensberger hat mit ihren beiden Goldmedaillen um 50 % weniger an medialer Aufmerksamkeit erreicht als Kriechmayr mit seinen zwei Siegen.
Schließlich zeigt die Medienstudie auch auf, dass die Redaktionszusammensetzung einen direkten Einfluss auf den Berichterstattungsanteil von Frauen hat – Journalistinnen berichten zu 31 % über Sportlerinnen, Journalisten nur zu 11 %. Entscheidend ist dabei, dass es jedenfalls in den österr. Print-Redaktionen nur sehr wenige Sportjournalistinnen gibt.
Die geringe Medienpräsenz von Sportlerinnen ist nicht nur ungerecht, sie hat auch gravierende Auswirkungen auf deren Möglichkeiten, ihrem Sport professionell nachzugehen. Denn auch im Sport ist Sichtbarkeit die Währung! Und wenn die Sichtbarkeit fehlt, bleibt man für Sponsoren schlicht unattraktiv – worauf Manuela Mandl bei der Studienpräsentation explizit aufmerksam gemacht hat. Lediglich 7 % des weltweiten Sportsponsorings fließen in den Frauensport! Zu den negativen Auswirkungen der geringen Medienpräsenz von Sportlerinnen zählt aber auch, dass sie damit als sichtbare Vorbilder fehlen – mit weitreichenden Folgen. „You can´t be what you can´t see“.
Es geht bei der von exploristas initiierten Studie jedenfalls nicht darum, mit dem Finger auf (einzelne) Medien zu zeigen, sondern darum, zur Sensibilisierung beizutragen. Medien sind lediglich ein Spiegel der Gesellschaft. Wir exploristas sehen die Studie als Ausgangspunkt dafür, Bewusstsein zu schaffen – Bewusstsein für die geringe Medienpräsenz und die unterschiedliche Inszenierung von Sportlerinnen schaffen, sodass eine Veränderung erfolgen kann. Sportlerinnen müssen stärker sichtbar werden, denn „sichtbar ist machbar“ – gerade für Frauen! Dies ist ein Gewinn für uns alle, Frauen und Männer. Für eine Gesellschaft im Sinne einer starken Gemeinschaft ist es wichtig, dass alle Geschlechter ihr volles Potential ausschöpfen können, ohne darin durch Geschlechterklischees begrenzt zu werden. Wir exploristas sind überzeugt, dass wir mit der Sportstudie einen Unterschied machen, dass wir Spuren hinterlassen können – und zwar nicht nur im Schnee oder auf Trails, sondern nachhaltig, auf Bewusstseinsebene. Auf Basis der nunmehr gelungenen Faktensammlung (die Studie ist die bislang größte im DACH-Raum!) sollte es gelingen, den Teufelskreis von mangelnder Sichtbarkeit und damit nicht erfüllbarer Vorbildfunktion von Sportlerinnen zu durchbrechen.